Auflösung des Simultaneums vor 100 Jahren
Auflösung des Simultaneums vor 100 Jahren
100 Jahre Auflösung des Simultaneums
Erbendorf. (njn) Im Juli 1920 wurde das Erbendorfer Simultaneum durch Notariatsvertrag offiziell aufgelöst. Damit endete nach über 250 Jahren die gemeinsame Nutzung der Gotteshäuser durch die beiden Kirchen. Mit einem ökumenischen Gottesdienst im Sportzentrum wird daran erinnert.
Eigentlich waren die katholische Pfarrei und die evangelische Kirchengemeinde schon seit letztem Jahr dabei, den Jahrestag der Auflösung des Simultaneums gemeinsam zu begehen und ein „Simultankirchenfest“ zu feiern. Doch die Corona-Pandemie machte dies alles zu nichte.
„Wir wollen aber dieses Datum nicht ohne Feier verstreichen lassen“, stellt Pfarrer Martin Besold fest. „Es ist ein markantes Datum in der Geschichte beider Pfarreien.“ Deshalb findet am Sonntag, 28. Juni um 10 Uhr ein ökumenischer Gottesdienst im Sportzentrum Kreinzl statt. Gemeinsam wollen Pfarrer Martin Besold und Pfarrer Christoph Zeh mit den Gläubigen beten, singen und Dank sagen für die gute Gemeinschaft, die heute unter beiden Konfessionen herrscht.
Doch für den Gottesdienst, Corona geschuldet, gibt es einige Auflagen. Wie Pfarrer Besold ausführte, seien jetzt Zusammenkünfte bei Gottesdiensten im Freien von bis zu 200 Personen erlaubt. Jedoch ist eine Anmeldung notwendig, die entweder über die Homepage oder telefonisch im katholischen Pfarrbüro erfolgen kann. „Dieser Gottesdienst ist gerade auch für Familien eine entspannte und gute Gelegenheit mit zu feiern“, so Besold.
Von oben verordnet
Geprägt von den Schrecken des Dreißigjährigen Krieges führte der religiös tolerante Herzog Christian August in seinem Herzogtum Sulzbach, zu dem auch Erbendorf gehörte, 1652 das sogenannte Simultaneum ein. Damit wollte er weitere Auseinandersetzungen zwischen den beiden Konfessionen verhindern.
Sinn des Ganzen: katholische und evangelische sollen das Kircheneigentum gemeinsam nutzen. Doch dauerte es noch ganze elf Jahre, bis das Simultaneum auch in Erbendorf Einzug hielt. Der neuburgische Oberkanzler Franz von Giese führte das Simultaneum im Amt Parkstein-Weiden im Auftrag des Herzogs ein.
Das Simultaneum wurde in der Steinwaldstadt am 8. Mai 1663 wirksam, nachdem noch am Abend die Kommission mit dem neuburgischen Landrichter von Weveld zu Parkstein und den neuburgischen Pfleger von Rummel aus Weiden mit samt Gefolge in der Stadt erschienen.
Zur gemeinsamen Nutzung der Gotteshäuser wurden sowohl in der Pfarrkirche als auch in der St.-Veits-Kirche den Katholiken und Evangelischen, damals Protestanten genannt, bestimmte Tage und Tageszeiten für die Abhaltung ihrer Gottesdienste eingeräumt.
Der Pfarrhof, der sich damals am Kaiserberg befand, in dem sich heute der Regenbogen-Kindergarten befindet, fiel durch Los dem evangelischen Pfarrer zu. Der katholische Pfarrer erhielt das verwaiste Propsteigebäude in der Pfarrgasse.
Das Simultaneum war aber in der Folgezeit nicht nur auf die Kirche beschränkt. Um „konfessionelle Gleichberechtigung“ zu erzielen, wurde in Schule und auch im städtischen Leben das Simultaneum beachtet. Bürgermeister und Ratsherren waren zu gleichen Teilen katholisch und evangelisch, auch die Schullehrer. Selbst die Brauknechte im Kommunbrauhaus mussten zu gleichen Teilen den beiden Konfessionen angehören.
Das Leben im Simultaneum war nicht einfach, selbst für die einfachsten Bürger. Dass eine gewisse Annäherung der beiden Pfarrer auch Folgen haben kann, zeigte sich beispielsweise 1805. Der katholische Pfarrer Johann Bonaventura Tremel den evangelische Pfarrer Georg Matthäus Paucker ersucht, wegen der vielen Beichtenden und dem engen Raum in der Lorettokapelle ganztägig die Pfarrkirche nutzen zu dürfen. Paucker machte ihm diese Gefälligkeit und wollte für seinen Gottesdienst die St.-Veitskirche benutzten. Doch dagegen hatten zwei protestantische Bürgermeister und einige Bürger etwas. Sie protestieren solange, bis der katholische Pfarrer nachgab und den evangelischen die Pfarrkirche für ihren Gottesdienst überlassen wurde.
Ein anderer Fall aus dem Jahr 1833: Der Seifensieder Jakob Kammerer stiftete für den Hochaltar ein neues Altarbild mit dem Motiv Maria Himmelfahrt. Die Protestanten erhoben dagegen Einspruch, der sich allerdings lange hinzog. Der Streit endete erst 1849, als für die Protestanten ein zweites Altarbild, Himmelfahrt Christi, angebracht wurde. Das Besondere daran: Es wurde eine Mechanik am Altar angebracht, die es ermöglichte, dass die evangelischen für die Gottesdienste ihr Altarbild, die katholischen das andere Altarbild herdrehen konnten. Alle waren zufrieden.
Zur Auflösung des Simultaneums gab es im 19. Jahrhundert immer wieder Initiativen. So Beispielsweise 1821, als vier protestantische Bürger im Namen der evangelischen Kirchengemeinde den Antrag zur Auflösung stellten. Gut zehn Jahre dauerten die Verhandlungen, bis sie wieder unterbrochen wurden. Der Grund: kein Geld.
Erst unter dem katholischen Pfarrer Franz Xaver Fleischmann kam Bewegung in die Sache. Dank seiner Bemühungen gelang es, dass das Staatsministerium für Unterricht und Kultus am 20. Mai 1918 das Simultaneum aufhob. Die beiden Kirchengemeinden wurden aufgefordert, über die Art und Weise der Vermögensaufteilung zu verhandeln.
Am Samstag, 12. Juli 1919 fand im Rathaus unter Anwesenheit des Weihbischofs Johannes Hierl von Regensburg und dem Konsistorialrats Wegelein aus Bayreuth und Vertretern der Regierung von 14 bis 21.30 Uhr die ersten Verhandlungen statt. Es kam ein Vertrag zustande, eigentlich waren es vier Verträge, der ein Jahr später am 12. Juli 1920 notariell verbrieft wurde.
Die Pfarrkirche Mariä-Himmelfahrt ging um den Preis von 65 000 Mark an die Katholiken, sowie die Veitskirche für 10 000 Mark. Um bei den Verhandlungen ans Ziel zu kommen, wurde die Veitskirche letztendlich den Protestanten zugesprochen.
Der Vertrag verpflichtete die katholische Pfarrei, zum Bauplatz der protestantischen Kirche die Hälfte des Preises bis zur Höchstsumme von 10 000 Mark zu zahlen und die Mehrkosten gegenüber den Friedenspreisen beim Bau der neuen Kirche zu einem Drittel zu leisten. Doch aufgrund der Geldentwertung waren es zu Beginn des Kirchenbaus der Martin-Luther-Kirche fast lächerliche Beträge.
Den Friedhof an der Bergwerkstraße ging zu einem Viertel an die evangelische und zu ¾ an die katholische Pfarrei. Nur beim Kirchenwald, da wurde das Simultaneum aufrechterhalten und es besteht heute noch immer. Die jährlichen Einnahmen stehen beiden Konfessionen jeweils zur Hälfte zu.